Liebe Leserinnen und Leser,

Sie wissen bestimmt, dass ich immer wieder ganz gerne ein paar Erkenntnisse aus der Hirnforschung bei meiner Arbeit einfließen lasse. Sie hilft uns, unser Verhalten zu verstehen und zu erklären. Deshalb befasst sich der November-Newsletter auch mit diesem Thema und er wurde von meinem Mann sozusagen als „Gastautor“ verfasst.

 Das Navi im Gehirn

Norwegen ist ein kleines Land und da ich aus so einem kleinen Land stamme, freue ich mich natürlich besonders, wenn meine Landsleute etwas Besonderes leisten. In diesem Fall ist es die Zuerkennung des Nobelpreises für Medizin, der zur Hälfte an John O’Keefe aus London und zur anderen Hälfte an die norwegischen Hirnforscher May-Britt und Edvard Moser aus Trondheim geht. Sie werden dafür ausgezeichnet, dass sie Zellen entdeckt haben, die in unserem Gehirn das Positionierungssystem (also in Kurzform: das Navigationsgerät) bilden.

Die Forscher haben das Orientierungssystem im Gehirn erforscht und einen speziellen Typus von Nervenzellen im sogenannten Hippocampus gefunden. Die entsprechenden Tests wurden anhand der Gehirne von Ratten durchgeführt.

Wozu hilft uns nun dieses Navigationssystem im Gehirn? Die Antwort darauf lässt sich geben, wenn man sich die Umkehrung verdeutlicht, nämlich, wenn unser Gehirn diese Fähigkeiten verliert. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist die Fähigkeit zur geografischen Orientierung im Straßenverkehr. Forscher haben herausgefunden, dass Taxifahrer in Städten, in denen die Prüfung mit Navigationsgeräten möglich ist, deutlich schlechter ausgeprägte Gehirnlappen haben als Taxifahrer in solchen Städten, die die Prüfung ohne Hilfe von geografischen Navigationsmitteln auf elektronischer Basis durchführen müssen. Mit anderen Worten, wie es Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz“ beschreibt (Seite 29 ff.): „Zwei Jahre später fanden Wissenschaftler heraus, dass Londoner Taxifahrer einen größeren Hippocampus haben als eine im Experiment hinzugezogene Kontrollgruppe.“ Der Grund hierfür ist, dass sich die Taxifahrer in London in ihrer Stadt genau auskennen müssen, weil sie für ihre Prüfung lernen mussten, sich geografisch ohne Hilfe zu orientieren. In vielen anderen Städten auf der Welt, ist dies nicht erforderlich und auch Sie haben vielleicht schon mal die Erfahrung gemacht, dass sie in einer deutschen oder österreichischen größeren Stadt ins Taxi einsteigen, die Adresse angeben und dann vom Fahrer eine Karte in die Hand gedrückt bekommen, um das Ziel zu suchen, wie es mir schon einmal in Hannover passiert ist.

Diese Geschichte ist ein sehr guter Beleg dafür, dass viele Instrumente, die uns heute auf elektronischem Weg im Alltag helfen sollen, uns letztendlich „dümmer“ machen. Dabei geht es nicht nur um elektronische Navigationsgeräte, sondern natürlich um jede Form von Suchen und Finden, die wir uns erleichtern. Vielleicht haben Sie auch schon häufig den Satz gehört „Das steht im Internet“ als „Entschuldigung“ dafür, dass man etwas nicht wissen muss. Natürlich muss man nicht wissen, aber man muss wissen wo man es findet, so sagten es schon die Lehrer in den 1970er-Jahren. Das Lesen von Lexika oder ähnlichen Nachschlagewerken oder das Zurechtfinden darin, ist heute weitaus wesentlich weniger ausgeprägt als in früheren Jahren.

Wir vertrauen heute immer mehr darauf, dass die Elektronik uns aus der Patsche hilft. Wer merkt sich schon noch Telefonnummern, die sich ja leicht einspeichern lassen? Wer kann heute noch wirklich gut eine Autokarte lesen und die richtige Ausfahrt von der Autobahn finden? Wer merkt sich noch die Abfahrts- oder Abflugzeit von Bahn oder Flugzeug? Es gibt viele kleine Hinweise darauf, dass wir unser Gehirn „entlasten“, aber gleichzeitig auch die Verantwortung abgeben. Lagern wir all diese Prozesse aus, sind wir effizient, nutzen aber auch das große Potential unseres Gehirns nicht mehr, das doch mit einem Navi ausgestattet ist. Daher: bleiben Sie aufmerksam und wachsam und lassen Sie sich durch die „elektronischen Helferlein“ wie Suchmaschinen, Kalender, Navigationsgeräte, Erinnerungs-E Mails etc. nicht verwirren, sondern füttern Sie Ihr Gehirn mit Informationen und es wird Ihnen bis ins hohe Alter damit danken, dass Sie fit, vital und vor allem „nachdenklich“ bleiben.

Ich wünsche Ihnen ein entspanntes und für Sie gewinnbringendes Lesevergnügen!

Herzliche Grüße, Natascha Freund

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