Liebe Leserinnen und Leser,

die Ferien (zumindest die Schulferien) sind vorbei. Unseren Kindern wird gesagt, dass nun wieder der „Ernst des Lebens“ angesagt ist. Deshalb finden Sie im September-Newsletter wieder gehaltvolle Kost – es geht um das Thema Selbstwert.

Selbstachtung

Selbstachtung – was ist das eigentlich? Ist es das Urteil, das wir über uns als Person fällen? Drücken wir damit aus, was wir von uns selbst halten? Dann ist es wohl ein rein subjektives Empfinden, das für jeden Menschen ganz unterschiedlich ausfällt?!

Was macht Selbstachtung aus?

Die Psychotherapeuten André und Lelord vertreten die Ansicht, dass folgende drei Dinge Selbstachtung ausmachen:

◾Selbstvertrauen,

◾die Sicht auf das eigene Ich und

◾die Selbstliebe.

Die Selbstliebe wird von den Therapeuten als das wichtigste der genannten Elemente eingeschätzt. Sie gehen davon aus, dass die Anerkennung, die man sich selbst gibt, unabhängig von der eigenen Leistung ist. Man hält sozusagen sich selbst die Treue.

Bei der Sicht auf das eigene Ich, geht es darum, wie man die eigenen Stärken und Schwächen bewertet.

Selbstvertrauen ist das Vertrauen auf sich selbst und aus eigener Kraft zu handeln und die Kontrolle über schwierige Situationen gewinnen zu können.

Die beiden Therapeuten gehen davon aus, dass alle drei Komponenten wie ein Grundstein in der Kindheit gelegt werden. Diesem Ansatz möchte ich dem Grunde nach nicht widersprechen, ich gebe jedoch zu bedenken, dass unsere Eltern weder im Positiven noch im Negativen stets verantwortlich gemacht werden können. Wie auch immer die Botschaften unserer Eltern bzw. Bezugspersonen gefärbt waren, wohlwollend oder ablehnend, wir nahmen sie in uns auf und sie wurden zu Grundüberzeugungen (Glaubenssätze oder Beliefs). Weil es sich um Meinungen über uns handelt, von Personen die für uns wichtig waren, glauben wir gerne daran. Das heißt aber nicht, dass dies das letzte Urteil ist. Man kann auch als Erwachsener noch lernen, sich selbst zu mögen und sich selbst die Anerkennung zu geben, die man verdient.

Die Psychotherapeutin Melanie J. V. Fennell geht davon aus, dass selbstwertstarke Menschen, also Menschen mit einem positiven Bild von sich selbst, wissen, dass sie über bestimmte Fähigkeiten verfügen. Sie trauen sich zu, Neues zu lernen und Herausforderungen zu bewältigen. Sie sind auch davon überzeugt, dass sie in einigen Bereichen Ihres Lebens etwas richtig gut können. Selbstwertstarke Menschen besitzen eine hohe Frustrationstoleranz und starkes Durchhaltevermögen und lassen sich daher von Misserfolgen und Fehlern nicht so schnell aus der Bahn werfen. Selbstwertstarke Personen trauen sich, Dinge in die Hand zu nehmen und zu handeln, sind sie zumeist erfolgreicher und damit wird wiederum das Selbstwertgefühl gesteigert.

Das Gegenteil von selbstwertstarken Menschen sind Menschen mit geringer Selbstachtung.

Selbstwertschwache Personen kritisieren sich selbst oft und viel. Ihr Fokus liegt vorwiegend auf ihren Unzulänglichkeiten. Eigene Bedürfnisse können nur schwer geäußert werden. Schuldgefühle ebenso wie Frustration und Wut stehen bei diesen Menschen oft im Vordergrund. In Kontakt mit anderen Menschen, sind selbstwertschwache Personen häufig befangen. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Menschen im Berufsleben Herausforderungen eher meiden. Manche von ihnen leisten weniger, als sie könnten; andere hingegen neigen zum Perfektionismus, aus Angst vor Versagen. Sie hoffen, mit ihrem übermäßigen Einsatz Kritik und Misserfolge abzuwenden. In der Freizeit werden Aktivitäten, bei denen sie beurteilt werden können, wie beispielsweise Sportwettkämpfe, gemieden.

Was kann man tun, um den Selbstwert zu steigern?

Die Psychotherapeutin Friederike Potreck-Rose nennt hierzu folgende Möglichkeiten:

  1. Erkennen Sie sich selbst: Fragen Sie sich einmal selbst „wer bin ich?“ in folgenden Bereichen: Partnerschaft, Kinder, Freundschaften, Hobbies. Ist das Selbstwertgefühl in einem Bereich gering, kann man seine Aufmerksamkeit auf die anderen, positiveren Bereiche lenken. Dies ist umso leichter, je mehr Rollen und Interessen Sie besitzen. Stärken Sie Ihre Stärken!
  2. Vergleichen Sie sich: Vergleichen Sie sich nicht auch manchmal mit anderen Menschen? Was ist die Norm, die wir als Bezugsgröße wählen? Wer bestimmt das Maß, die Einheit? Wohl Sie selbst, oder? Sie können sich stets mit Menschen vergleichen, die besser sind als Sie. Sie können sich auch an Normen orientieren, die sehr streng sind. Ist es nicht vielleicht günstiger die Latte niedriger anzulegen und sich mit Menschen zu vergleichen, die uns ein klein wenig unterlegen sind? Wählen Sie keine unrealistischen Normen und vergleichen Sie sich nicht mit Menschen, die Ihnen überlegen sind. Chronische Überforderung, Selbstzweifel und Unzufriedenheit können die Folge sein.
  3. Immun sein gegen Zweifel und Angriffe: Überdenken Sie doch einmal Kriterien, nach denen Sie Ihre eigenen Erfolge oder Misserfolge bewerten. Beruflicher Erfolg lässt sich beispielsweise am Kriterium der Gehaltshöhe festmachen, man kann aber auch besonderes Gewicht auf den inhaltlichen Wert der Tätigkeit legen. Wählen Sie keine Erfolgskriterien, die Sie nicht erreichen können und ziehen Sie daraus vor allem keine verallgemeinernde Schlussfolgerung wie beispielsweise „mir gelingt nichts“. Wer sich selbst achtet und anerkennt, reagiert dagegen flexibel. Kann er ein Kriterium nicht erfüllen, konzentriert er sich eben auf ein anderes: „zwar nicht viel Gehalt, aber dafür ist meine Arbeit sinnvoll“.
  4. Erfolg:Was ist Erfolg? Die Definition obliegt Ihnen. Ein Tipp – definieren Sie Erfolg weit. Erfolgserlebnisse können bestandene Prüfungen, Beförderungen oder auch Gehaltserhöhungen sein. Erfolge können aber auch alltägliche Dinge sein, wie beispielsweise Ordnung zu halten oder den eigenen Vorstellungen hinsichtlich Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gerecht zu werden.

Wer allerdings zu sehr von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt ist, kann durch den zur Schau getragenen Stolz andere abschrecken. Menschen, die sich nicht besonders mögen, sind manchmal beliebter, weil sie bescheidener wirken, obwohl sie das selbst oft nicht glauben. Die Psychotherapeuten André und Lelord bescheinigen selbstwertschwachen Personen eine besondere Fähigkeit zu Empathie. Weil diese Menschen oft aus Angst anzuecken, viel Aufmerksamkeit auf ihre Mitmenschen richten, sind sie darin geübt, sich in die Gedanken und Gefühle der anderen hineinzuversetzen.

Es ist schön, wenn Sie an sich arbeiten wollen, aber kritisieren Sie sich nicht zu viel. Vertrauen Sie auf sich und der Tatsache, dass Sie gut sind, wie Sie sind.

Ich wünsche Ihnen, wie immer viel Spaß mit den gewonnenen Erkenntnissen und gebe Ihnen vorab schon mit – seien Sie nicht allzu streng zu sich selbst. Sie sind es, der über Sie urteilt…

Herzliche Grüße, Natascha Freund

Quelle: Psychologie heute kompakt, 2013

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