Vor einiger Zeit las ich im Spiegel einen Artikel unter dem Titel „Freunde sind die besseren Eltern“. Es ging dabei um das neue Modell des Co-Parenting, bei dem Freunde zu Eltern werden, in dem sie z.B. mittels Samenspende ein Kind gemeinsam haben und dieses betreuen. Sie sind weder miteinander verheiratet noch in einer Liebensbeziehung. Das Argument der Autoren war folgendes:

Das Leben heute ist schnell und stressig, die idealisierte Familienkonstellation (Mama, Papa, Kind(er)) gibt es immer seltener, Liebesbeziehungen sind flüchtig und schnell vorbei. Kinder in Partnerschaften zu bekommen ist daher eher ein „Problem“, denn eine Lösung – viel Risiko, viel Herzschmerz, wenn die Beziehung in die Brüche geht und am Ende ist man doch alleinerziehend. Da wäre es doch besser, Kinder mit Freunden zu haben – Freundschaften halten im Schnitt länger und geben Sicherheit und Stabilität.

So weit, so gut: das ist eine gute Beschreibung von Menschen, die gerne ein Kind wollen und es in den neuen Alltag der digitalen, schnelllebigen Welt integrieren möchten. Ein Kind, angepasst an die Bedürfnisse des modernen Menschen. Aber – ist das alles so positiv? Ich hätte da ein paar Fragen:

  • Auch Freunde können sich unterschiedlich entwickeln – was ist, wenn jeder seiner Wege geht? Auch wenn die Erwachsenen dann weniger „Herzschmerz“ spüren, weil es ja „nur“ ein Freund / eine Freundin ist, was spürt das Kind?
  • Wie organisiert man, wenn befreundete Eltern nebenher noch eine oder wechselnde Liebesbeziehungen haben? Was vermittelt man dem Kind, wenn Mamas Freund und Papas Freundin alle mal bei uns übernachten? Welche Werte geben wir diesen Kindern mit auf den Weg?
  • Und was passiert, wenn einer der befreundeten Eltern später in dieser Liebesbeziehung doch noch heiraten möchte und sich der neue Partner / die neue Partnerin dafür interessiert, auch eine Elternrolle einzunehmen, auch wenn es nicht sein / ihr biologisches Kind ist?

Wer mit wem die Elternrolle übernimmt, ist eben doch nicht so ganz egal. Betrachten wir das ganze aus der Sicht des Kindes, dann wissen wir aus der Imago-Theorie dass die ersten 6 Lebensjahre besonders prägend sind für das Kind sind – es geht um die Phasen der Bindung, der Exploration, der Kompetenz und der Identität. Gerade in dieser Zeit ist es wichtig, dass die Kinder spüren, dass es nicht nur eine stabile und feste Beziehung zum Kind gibt („Ich bin sicher und es ist gut zu sein“), sondern auch, dass die Bezugspersonen eine Beziehung zueinander haben. Wenn dort keine Liebe ist, sondern „nur Freundschaft“ kann das für die Entwicklung des Kindes auch kritisch sein. Wie stabil ist die Beziehung der Eltern? Gibt das genug Sicherheit und Bindung?

Wer also das Co-Parenting Modell realisieren möchte, sollte sich gut überlegen, ob er das Projekt Kind um des Kindes Willen oder um seiner / ihrer selbst Willen vorantreibt.