Wie halten Sie es eigentlich mit Ihren Eltern? Rufen Sie wöchentlich oder gar täglich an? Erledigen Sie Dinge für Ihre Eltern? Zeigen Sie Dankbarkeit? Oder wurden Sie sogar gebeten, sich an den Pflegekosten Ihrer Eltern zu beteiligen, weil die Pension dafür nicht reicht?

Jeder von uns hat wohl unterschiedliche Eltern-Kind-Erfahrungen und so mancher fragt sich vielleicht von Zeit zu Zeit: wozu bin ich verpflichtet?

Die Schweizer Philosophin Barbara Bleisch hat darauf folgende Antwort:

„Kinder sind zu nichts verpflichtet gegenüber ihren Eltern. Sie schulden ihren Eltern gar nichts!“

Das klingt auf den ersten Blick überraschend, haben uns unsere Eltern nicht liebevoll (mehr oder weniger) ins Leben begleitet, sich um uns gekümmert als wir klein waren, etc.?

Die Antwort auf die Frage, warum Kinder den Eltern nichts, schulden, lautet bei Frau Bleisch so:

„Das  [Anm: die Annahme, Kinder würden ihren Eltern etwas schulden] würde ja entweder bedeuten, dass Kinder für ihre Geburt dankbar sein müssten – darum haben sie aber nicht gebeten. Oder es hieße, dass Kinder sich für die Fürsorge erkenntlich zeigen müssten. Was wäre dann mit Kindern, die gequält oder misshandelt wurden? Müssten die auch dankbar sein? Das zu behaupten wäre grausam. Dankbare Kinder blicken glücklich auf ihre Kindheit zurück. Nicht alle haben dazu Grund.“

Frau Bleisch sagt aber auch:

„Kinder haben sicher Grund, sich um die eigenen Eltern zu bemühen. Die Eltern-Kind-Beziehung ist mit keiner anderen Beziehung vergleichbar. Sie ist unersetzlich, niemand kann im Erwachsenenalter neue Eltern finden. Und sie ist unfreiwillig: wir wählen einander nicht und werden einander auch nicht wieder los. Das alles macht sie besonders wertvoll. Und natürlich schulden wir uns Respekt: Einander ausnützen, verletzen, demütigen dürfen wir nie.“

Was können wir daraus lernen? Ist Blut wirklich dicker als Wasser? Man hört ganz oft „Familie kann man sich nicht aussuchen, Freunde schon.“ Vielleicht ist so manche Eltern-Kind-Beziehung deswegen so schwierig, weil man aus dieser nicht aussteigen kann – ich kann meine Eltern nicht austauschen gegen andere Eltern und im Gegensatz können mich meine Eltern auch nicht gegen ein anderes Kind austauschen. Und dennoch geschieht diese Situation ganz oft, wenn sich Eltern und Kinder nicht „verstehen“, wird der Kontakt abgebrochen, werden andere an deren Position gestellt, doch in Wahrheit bleibt eine Lücke.

Jeder von uns hat eine gelebte und eine emotionale Vergangenheit – Eltern wie Kinder. Im Zusammenspiel mit anderen handeln wir stets nach positiver Absicht und dennoch kommt es nicht immer so bei dem/der anderen an. Das kann manchmal weh tun. Manche Verletzungen vergessen wir nie.

Eine Eltern-Kind-Beziehung besteht wie jede Beziehung aus einem gegenseitigen Nehmen und Geben und ist eine Beziehung an der man ein Leben lang lernen und arbeiten darf. Dafür, dass es diese Beziehung gibt, darf man dankbar sein – egal ob diese Beziehung gut oder schwierig ist – sie ist der ideale Lehrmeister.