Liebe Leserinnen und Leser,

sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Oberste Gerichtshof haben ihre Entscheidungen zur Doppelresidenz getroffen. Demnach können und dürfen auch Kinder von getrennten Eltern nun zwei Wohnsitze haben und „gleichberechtigt“ bei Mama und Papa aufwachsen.

In diesem Newsletter möchte ich Ihnen einen Diskussionsbeitrag zu diesem Thema zwischen dem Juristen Herrn Mag. R. Echt und der Psychologin Frau W. Ohl-Kindes zur Verfügung stellen:

R. Echt: Die Lösung betreffend die Doppelresidenz ist meines Erachtens nicht nur gut, sondern auch geboten. Ihnen wird nicht entgangen sein, dass der Europarat in einer Resolution zur „Gleichheit und gemeinsamen elterlichen Verantwortung“ verlangt hat, dass die Mitgliedstaaten die „Rechte der Väter“ stärken. Danach muss es Kindern grundsätzlich gestattet werden, nach einer elterlichen Trennung zu etwa gleichen Teilen bei beiden Eltern abwechselnd zu wohnen – 2 Wohnsitze sind da nur konsequent.

W. Ohl-Kindes: Konsequent vielleicht, aber auch vernünftig?

R. Echt: Ich sehe nichts, was dagegen spräche. Es kann doch nicht so sein, dass die Kinder bei einem Elternteil leben (zumeist die Mutter) und der andere Elternteil (zumeist der Vater) „nur“ zahlt.

W. Ohl-Kindes: Entschuldigung, das ist doch nicht die Realität. Heute gibt es die typischen Wochenendkinder, die den anderen Elternteil beispielsweise alle 14 Tage und in einigen Fällen auch tageweise während der Woche sehen – das hat sich ausgezeichnet etabliert.

R. Echt: Das Wochenende ist aber nicht die ganze Lebenswirklichkeit. Sonntag ist anders als Alltag. Und viele Väter wollen ihre Kinder auch im Alltag sehen und betreuen.

W. Ohl-Kindes: Moment, ich dachte es geht um die Rechte der Kinder und nicht um die Rechte der Eltern, oder?

R. Echt: Aber wenn sich die Eltern auf ein solches Modell nicht freiwillig einigen können, muss die Möglichkeit zur Durchsetzung bestehen.

W. Ohl-Kindes: Das vernachlässigt doch sehr die Reche der Kinder – und damit meine ich die Möglichkeit zum Aufwachsen dort, wo sie sich wohl und geborgen fühlen. Das Kindeswohl und nicht das Elternwohl muss doch an erster Stelle stehen. Die Regelung zur Doppelresidenz vernachlässigt dies.

R. Echt: Was Sie als Rechte der Kinder bezeichnen, ist keine juristische Kategorie. Die Doppelresidenz ist aber Rechtsbestand und wenn ein Elternteil dies beantragt, dann haben die Richter die Aufgabe und auch Pflicht, diese Anträge zu würdigen und zu entscheiden.

W. Ohl-Kindes: Ein solcher Rechtsstreit tritt doch vermehrt dann auf, wenn es zwischen den Eltern ohnehin schwer ist, sich vernünftig zu einigen. Solche Verfahren gießen nur mehr Öl ins Feuer und belasten alle Beteiligten – insbesondere die Kinder.

R. Echt: Sie können das Recht eines Elternteils aber nicht einschränken. Eltern bleiben für immer Eltern, wenn sie auch nicht mehr Partner sind.

W. Ohl-Kindes: Und das rechtfertigt, dass Kinder eventuell sogar gegen ihren Willen wie Vagabunden ständig den Aufenthaltsort wechseln sollen und wöchentlich abwechselnd bei Mama und Papa „ein- und auschecken“?

R. Echt: Sie dramatisieren das. Die Kinder haben mehrere Orte, die ein „Zuhause“ sind und können diese verschiedenen Welten gut verkraften. Bei Wochenendkindern funktioniert das ja auch, warum nicht auch hier?

W. Ohl-Kindes: Die Doppelresidenz entwurzelt die Kinder. Sie wissen nicht, wo sie hingehören und müssen in manchen Fällen auch noch den Streit zwischen Mama und Papa auf ihren Schultern tragen, den sie immerwährend spüren; hinzu kommt, dass sie ständig ihre Sachen packen und auspacken, weil wieder ein Ortswechsel ansteht.

R. Echt: Die Eltern können sich ja freundschaftlich auf jedes andere Modell einigen, wenn sie eine bessere Lösung für das Kind haben.

W. Ohl-Kindes: Sie stellen schon wieder die Wünsche die Eltern in den Vordergrund – wo bleibt die Berücksichtigung der Kinderseele? Die Einbeziehung der Kinderseele wäre das Beste, was rechtlich passieren könnte.

R. Echt: Es tut mir leid, aber diese Kinderseele hat keine eigene juristische Qualität. Als Juristen haben wir darüber nicht zu entscheiden, sondern nur die Interessen der Beteiligten abzuwägen.

Mit doppelten Grüßen

Natascha Freund

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