Einmal saß ich bei einer Bahnfahrt neben einem jungen Mann, dem sichtlich etwas Schweres auf dem Herzen lastete. Schließlich rückte er damit heraus, dass er ein entlassener Sträfling und jetzt auf der Fahrt nach Hause sei. Seine Verurteilung hatte Schande über seine Familie und Freunde gebracht.

Sie hatten ihn nie im Gefängnis besucht und ihm auch nur ganz selten geschrieben. Er hoffte aber trotzdem, dass sie ihm verziehen hatten.

Um es leichter zu machen, hatte er ihnen in einem Brief vorgeschlagen, sie sollten ihm ein Zeichen geben, an dem er, wenn der Zug an der kleinen Farm vor der Stadt vorbeifuhr, sofort erkennen könnte, wie sie zu ihm stünden. Hatten die Seinen ihm verziehen, so sollten sie am Olivenbaum an der Strecke ein weißes Band anbringen. Wenn sie ihn aber nicht wieder daheim haben wollten, sollten sie gar nichts tun. Dann werde er im Zug bleiben und weiterfahren, weit weg…

Als der Zug sich seiner Vaterstadt nähere, wurde seine Spannung so groß, dass er es nicht über sich brachte, aus dem Fenster zu schauen. Ein anderer Fahrgast tauschte den Platz mit ihm und versprach auf den Olivenbaum zu achten. Gleich darauf legte er dem jungen (Ex-)Sträfling die Hand auf den Arm. „Da ist er“, flüsterte er, und Tränen standen plötzlich in den Augen, „alles in Ordnung. Der Baum ist voller weißer Bänder.“

In diesem Augenblick schwand alle Bitternis, die sein Leben vergiftet hatte. „Mir war“, sagte der Mann später, „als hätte ich ein Wunder miterlebt.“ Und vielleicht war’s auch eines.

Nach John Kord Lageman

 

Vielleicht möchten Sie gerade in dieser Zeit, für einen Menschen, mit dem Sie sich aussöhnen möchten, ein Band in einen Baum binden…